Draußen vor der Tür

Für viele ist der Gedanke, in der Freizeit ein Drama zu lesen ziemlich ‚abstrakt‘. Trotzdem, vielleicht lässt sich ja der ein oder andere davon überzeugen, doch mal „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert in die Hand zu nehmen.
Vorab: Draußen vor der Tür ist unter keinen Umständen ein Buch, welches sich nebenbei lesen lässt, nicht weil es wahnsinnig kompliziert geschrieben ist, sondern viel eher, weil das Thema in einer solchen Schwere und Intensität vermittelt wird, dass es einem wirklich auf den Magen schlägt.

Es handelt von einem Kriegsrückkehrer, Beckmann, welcher – um es ganz harmlos zu formulieren – Probleme damit hat, im Alltag anzukommen. Egal, bei wem er Hilfe sucht (seiner Frau, seinen Eltern, in einem Wirtshaus), er landet jede Nacht aufs neue: Draußen vor der Tür. Und das in einem depressiven, sogar suizidalen Zustand basierend auf dem inneren Konflikt, Verantwortung über den Tod vieler Menschen zu tragen. So musste Beckmann in einer Kriegssituation die Leitung und somit die Verantwortung über 20 Menschen übernehmen, von denen 11 Menschen starben.
Zwar sind 11 Menschen verglichen mit Millionen Gefallen nicht in Relation zu sehen, auch das weiß Beckmann und es treibt ihn in die Verzweiflung.

Das Drama beschreibt ziemlich düster die verzweifelten Selbstvorwürfe eines Mannes, der nicht verstehen kann, wie trocken eine Gesellschaft mit dem Tod umgehen kann.
Ich hatte schon auf den ersten Seiten das Gefühl, düsterer kann es nicht werden, nur um zu merken, dass sich das Drama von Seite zu Seite an Bitterkeit übertrifft. Das Drama behandelt die Themen Verantwortung, Krieg, Traumata, Suizid, sowie gesellschaftliche Abstumpfung gegenüber Tod und Gewalt, ist also nichts, was sich zur Unterhaltung liest. Abstrakt wird das Buch, wenn Beckmann z.B. mit Gott spricht, ihm heftige Vorwürfe macht, warum er Leid zulasse oder wenn Beckmann mit der Elbe spricht, in der er so eben versuchte, sich zu ertränken. Der beinah schizophrene Beckmann ist – und darum schreibe ich eine Rezension – ein (wenn auch sehr intensives und extremes) Abbild für die Auswirkungen von Krieg und Gewalt.

Und da ich das Gefühl habe, Krieg ist heute so weit aus unserer Blase verschwunden, dass wir Zahlen von Toten überhaupt nicht mehr einordnen können, empfehle ich, sich ein Bewusstsein zu schaffen für die Dinge, die heute noch (wenn auch anders als im 2. Weltkrieg) in Afghanistan oder Syrien passieren. Kurt Tucholsky beschrieb die Gleichgültigkeit der Menschen solchen Themen gegenüber als nichts anderes als Mangel an Phantasie. Und ich finde, das trifft so ziemlich den Kern der Sache. Mangel an Phantasie, wer soll sich denn bitte Millionen Tote Menschen vorstellen?

Wolfang Borcherts „Draußen vor der Tür“ ist vielleicht eine Möglichkeit, sich diesem Thema etwas zu nähern und eben nicht in eine kriegsverherrlichende Gleichgültigkeit zu verfallen, die in unserer Generation – aus völlig logischen Gründen, denn Berührungspunkte zu Krieg haben die meisten heute nicht (Gott sei Dank) – immer mehr abhanden kommt. Und immerhin ist eine Gleichgültigkeit Krieg gegenüber der Nährboden für zukünftige Kriege.

Kaja (Q 2)